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DIE CAMPESINOS

"Was kann man auf zwei Hektar schon anbauen?"

  

Campesino“ ist spanisch und bedeutet übersetzt „Kleinbauer“. Exemplarisch für das Leben vieler Kleinbauernfamilien steht die Geschichte von Dionisio Gómez. Auch seine Familie leidet darunter, dass mittlerweile 73 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Paraguay für den Sojaanbau verwendet werden und er in finanzieller Notlage einen großen Teil seines Landes an Großgrundbesitzer verkaufen musste. Die Pestizide, die auf den Sojafeldern versprüht werden, gefährden Gesundheit und Leben von Mensch und Tier. 

  

© Kopp/MISEREOR

Manchmal möchte Dionisio Gómez morgens nicht mehr aufstehen. Es ist nicht der Körper. Der ist noch recht fit - trotz seiner 70 Jahre. Es sind die Schatten auf der Seele, die manchen Tag so finster erscheinen lassen. Die Erinnerungen. Wie er vor 30 Jahren hier ankam in Pastoreo im Osten Paraguays. Wo der Boden fruchtbar war und auf Menschen wartete, die ihn bewirtschafteten. Fleißige, wortkarge, einfache Leute wie Dionisio. Wie er nach langem Kampf und vielen Jahren als schlecht bezahlter Tagelöhner endlich den Landtitel bekam. Zehn Hektar, sein ganzer Stolz, in die er alle Kraft investierte. Und die genügend hergaben, um seine Frau Ursulina und die drei Kinder zu versorgen. Mais, Maniok, Bohnen, Futter für die Tiere. Der Älteste hatte noch eine unbeschwerte Kindheit. Beim Mittleren, Gustavo, fing es an. Der heute 18jährige hatte schon als kleiner Junge Atemprobleme und chronische Magenschleimhautentzündung. Und die dritte, die einzige Tochter, wurde vor 13 Jahren blind und missgebildet geboren. Ein Schicksalsschlag, dachten die Eltern damals, als die Krankheit die ganzen Ersparnisse auffraß und sie sogar zur Versorgung ihrer Tochter einen Kredit aufnehmen mussten. Um ihn abzubezahlen, mussten sie acht Hektar verkaufen. Dann starb die Tochter trotzdem.

 

Es waren aufreibende Jahre, und Dionisio merkte lange nicht, wie der schleichende Tod sich seinen Weg nach Pastoreo bahnte. Immer näher rückten die Sojafelder an die Siedlung, immer häufiger versank das Dorf im Nebel giftiger Pestizide, die von Flugzeugen versprüht wurden. Mehr als 24 Millionen Liter Agrochemikalien werden jedes Jahr auf die Sojafelder Paraguays gekippt: Heptachlor, Aldrine, aber auch eigentlich verbotene, hochgiftige Substanzen wie DDT. Einmal protestierten die Anwohner vor dem Hof des brasilianischen Großgrundbesitzers. „In fünf Jahren gehört mir ohnehin alles“, entgegnete dieser. 

 

© Kopp/MISEREOR

Und er behielt recht: Immer mehr Nachbarn gaben auf, verkauften ihr Land an den Sojabaron und zogen in die Stadt. Von einst 20 Familien sind noch drei übrig. Dionisios Familie, ein 80jähriger, gebrechlicher Nachbar und eine junge Familie. „Die wollen jetzt aber auch verkaufen“, murmelt Dionisio und treibt die Kuh von der Weide, um sie zu melken. Manchmal fühlt er sich einsam. Eigentlich wollte Dionisio sein Land den Kindern vererben. „Aber was kann man auf zwei Hektar schon anbauen?“ sagt er schulterzuckend. Seine Kinder sehen in der Landwirtschaft keine Zukunft. Der mittlere studiert in der nahegelegenen Kleinstadt Caaguazú Betriebswirtschaft, der Älteste ist nach Argentinien ausgewandert, um dort auf dem Bau sein Glück zu versuchen. Seine dreijährige Tochter Damaris hat er bei den Großeltern gelassen. Aber es geht ihm gut in Argentinien, bald wird er die kleine Damaris wohl nachholen. Dann wird es noch einsamer auf dem Hof der Familie Gómez.

 

Text: Sandra Weiss für MISEREOR (leicht gekürzt)

  

 
 

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